Die beiden Fasnachtsspieltage, am Unseligen- oder Schmotzigen- Donnerstag und am Sonntag zuvor werden mit feierlichen Gottesdiensten, mit Seelenamt für die verstorbenen Mitglieder und Lobamt für die lebenden Mitglieder der Bruderschaft eingeleitet. Vor und um die Mittagstunde kommen die Narren aus Ihren Häusern und Wohnungen, treffen sich auf den Gassen und Straßen und strömen dann in größeren Gruppen dem Haupttreffpunkt dem historischen Marktplatz zu, wo sich alle Narren versammeln. Der Platzmajor übernimmt die Begrüßung aller anwesenden Besucher und Fasnachtsspieler, danach wird der verstorbenen Mitglieder des Narrengerichts seit dem letzten Fasnachtsspiel gedacht. Nach ordnungsgemäßem Aufstellen des Narrenzuges begibt sich dieser nun zur Abholung der Würdenträger im Venezianischen Reich.
Der Fähnrich mit der Standarte, die Majore und die Bäder werden zu Hause abgeholt, der ganze Narrenzug begibt sich dann zur Wohnung des Narrenvogtes. In der feierlichen Begrüßung durch den Narrenvogt, gedenkt dieser dabei auch der Grosselfinger in aller Welt. Die Mitspieler werden ermahnt, getreu dem Vorbild der Ahnen beim Spiel ihr Bestes zu geben und dabei die Grenzen des Erlaubten niemals zu überschreiten!
Danach begibt sich der ganze Zug durch die Bruderschaftsstrasse auf den Marktplatz. Dort angekommen erfolgt die Proklamation des ,,Venezianischen Reiches”, die Reichsordnung wird verkündet. Alsdann erfolgt der ,,Bad-Verruf“, dies ist die Veröffentlichung der Rechte und Pflichten der Bewohner und Gäste des Venezianischen Reiches. „Wenn man: das Bad verrufen tut, soll jeder abziehn seinen Hut!“ Mit fühlbarer, heller Begeisterung wird allgemein das Bruderschaftslied gesungen. Danach zieht das hochgrobgroßgünstige Gericht in den Gerichtssaal ein. Nach vorausgegangenem rhythmischem Peitschenknallen wird durch die Geißelläufer in den Lokalen der Stadtarrest angesagt. Alle Personen, Hohe und Niedere, von denen Untaten ruchbar geworden sind, werden verhaftet und dem Gericht vorgeführt.
Die Gerichtsverhandlungen finden im verdunkelten Saale statt, zwei Kerzenlichter erhellen die zum Gruseln reizende Handlung. Majore erheben Anklage, Narrenvogt und Magistratsherren finden gerechte Urteile. In schwierigen Fällen stehen Doktoren zur Untersuchung bereit. Angeklagte, die Rechtshilfe brauchen, können einen Redmann beanspruchen. Die verhängten Strafen sind unabänderlich. Nach Entrichtung der Geldstrafen werden von den Furieren Freibriefe in Spiegelschrift ausgehändigt, die zum weiteren gesitteten Verweilen im Venezianischen Reich berechtigen.
Danach begibt sich der ganze Zug durch die Bruderschaftsstrasse auf den Marktplatz. Verurteilte, die ihre zudiktierte Strafe nicht bezahlen, werden durch Urteil ins Bad gesprochen, wo sie von den Bädern (einem Vollzugsorgan) des hochgrobgroßgünstigen Gerichts, behandelt werden. Stellvertretend erhalten die hierzu bereiten Gassenrollen (Hanswurste, Wegräumer, Geiger usw.) auf der Pritschenbank exemplarische Strafen. Die dabei in Knittelversen vorgetragenen alltäglichen Verfehlungen irdischer Menschlichkeit sind Beiträge zur lustigen Unterhaltung.
Ein historisch wesentlicher Teil des Heimatspiels ist die Abholung des Krauthafens im Pfarrhaus. Der Ortspfarrer ist gehalten, einen großen Topf gefüllt mit Sauerkraut und Speck zum Verzehr für die Butzen und Gassenrollen zu spenden. War doch die Kirche bis zur Ablösung im Jahre 1864 Bezieher des Kleinzehnten, d.h. von allem, was in Baum- und Krautgärten wächst, wurde der zehnte Teil in Naturalien für die Kirche eingezogen. Die Spende des Krauthafens könnte als symbolische Gegengabe gewertet werden. Der tiefere Sinn des Krauthafens liegt jedoch in der Anwendung von Sauerkraut als schützendes Heilmittel gegen ansteckende Krankheiten. Bei diesem Spielteil wirken der Ortspfarrer und die Pfarrköchin mit. Metzger und Doktoren treten in Aktion. Die Gassenrollen treiben dabei ihre überschäumenden Späße, bis der Krauthafen mit dem Hanswurst auf der Bahre in Begleitung des Zuges fortgetragen wird.
Der weitaus ergreifendste und urtümlichste Teil des Spielgeschehens ist das Spiel um den Sommervogel. Seine Ankunft lässt das Ende des Winters erhoffen. Der Bürgermeister und der Narrenvogt streiten sich in närrischen Wechselreden um die Echtheit des Sommervogels. Hat dann mit Hilfe der Narrenbrille der Bürgermeister den Sommervogel erkannt, setzt großer Jubel ein, die Freude kommt in dem allgemein gesungenen „Kuku-Lied” zum Ausdruck.
Während der Zug an dem im Nest sitzenden Sommervogel vorbei defiliert und alle sich zum Zeichen der Huldigung verneigen, schützen zwei junge Bürger den Sommervogel. Bösewichte schleichen heran, um den Sommervogel zu rauben. Ein „Ausländer“ (gemeint ist ein nicht dem venezianischen Reiche Angehöriger) verführt die Wächter zum Ungehorsam und zu einem Trunk, diesen Augenblick nutzen die Bösewichte zum Vollzug der frevelhaften Tat. Erschreckend gellt der Ruf über den Platz des Spielgeschehens: ,,Der Sommervogel ist geraubt!“ Die ruchlose Tat bringt unter die Mitspieler ein erschreckendes Durcheinander, ergreifend ist das einsetzende Wehklagen und jammern, zerschlägt doch der Raub des Sommervogels die Hoffnung auf die Wiederkehr des Sommers.
Die Räuber werden verfolgt und eingefangen, der Sommervogel wird gerettet. Unter freiem Himmel tagt das Gericht, entsprechend den Gesetzen des Venezianischen Reiches lautet das Urteil: Tod durch Ertränken. Der Platzmajor verkündet das Urteil. Der Narrenvogt bricht über den Verurteilten den Stab. Sie werden dann in den brennenden Brunnen geworfen; damit ist das Urteil vollstreckt. Als Abschluss des Narrenspiels wird der Narrenvogt vom ganzen Zug in seine Wohnung zurückbegleitet. Nach feierlicher Verabschiedung und Dankesworten des Narrenvogtes bringt der Zug aller Narren den Fähnrich mit der Standarte des ehrsamen Narrengerichts sicher nach Hause. Im stolzen Bewusstsein, das einmalige Vermächtnis der Ahnen, die große Grosselfinger Fasnacht mit Leben erfüllt zu haben, werden die Fasnachtshäser wieder abgelegt, bis in ein paar Jahren das ehrsame Narrengericht zu Grosselfingen wiederum zum Leben erweckt wird und die Narretei erneut beginnt.
Möge das Narrengerichtsspiel bei allen unseren lieben Gästen die gewünschte Rekreation bewirken.