Das „Narrengericht“ ist eine einzigartige und vielleicht die bestüberlieferte Fasnacht im deutschsprachigen Raum, welche noch heute lebendig ist. Die alte, über Jahrhunderte gepflegte und behütete einmalige Fasnachtstradition lässt den kleinen Ort Grosselfingen zu einer Hochburg der Fasnacht werden.
Unweit der Burg Hohenzollern im ehemaligen schwäbischen Stammlande der Hohenzollern, im südwestlichen Vorland der Schwäbischen Alb liegt Grosselfingen mit rund 2100 Einwohnern. Hier findet nur alle paar Jahre in unregelmäßigem Rhythmus eine der ältesten und farbenfrohesten Fasnachten im Land statt.
Der von alters her durch obrigkeitliches Privileg ausgestatte Brauch, des aus dem ausgehenden Mittelalter überlieferten Fasnachtspiels wird das „Ehrsame Narrengericht zu Grosselfingen“ genannt. Das ehrsame Narrengericht ist auch Gründer und Träger einer 1623 gegründeten Marienbruderschaft. Aber auch schon im Freiheitsbrief der Herren von Bubenhofen werden die Mitglieder des ehrsamen Narrengerichts als „Lustige Fasnacht Brüder“ bezeichnet. Als Narrenruf erklingt in Grosselfingen deshalb hundertfach: „Guten Morgen ihr Brüder“.
Durch Jahrhunderte alte strenge Regeln, wird dem festgefügten Ablauf aller Spielteile ein Korsett gegeben, innerhalb dessen sich spontane fasnächtliche Späße sowie Witz und Humor immer wieder Bahnbrechen und so zur allgemeinen Belustigung der Mitspieler und Zuschauer beitragen. Das ganze Dorf wird zum venezianischen Reich erklärt und dabei zur stimmungsvollen Freilichtbühne. Im Gerichtslokal finden die Gerichtsitzungen der Herren von Venedig statt. Auf den Straßen und Gassen zieht ein farbenfroher Zug der Narren zum Pfarrer, um den Jahrhunderte alten Heischebrauch zu erfüllen und einen großen Krauthafen mit Speck und Sauschwänzen abzuholen. Das beindruckende Spiel um den Sommervogel findet auf dem historischen Markplatz statt, bei dessen letzten Akt die Räuber des Sommervogels, sehr zur Belustigung der Anwesenden in einen „brennenden Brunnen“ geworfen werden.
Die verschiedenen Figuren und Rollen in dem Spektakel und dies sind immerhin 39 Chargen, so werden in Grosselfingen die verschiedenen Narrenfiguren genannt, haben alle ihre von alters her zugewiesenen Aufgaben im ca. 4 Stunden dauernden Spiel zu erfüllen. Die glanzvollen Fasnachtshäser werden in Handarbeit nach Überlieferung angefertigt und werden nur zur Aufführung des Narrenspieles von den ca. 350 Mitspielern getragen. Niemals dürfen die Gewänder außerhalb von Grosselfingen oder der traditionellen Grosselfinger Fasnacht getragen werden. Wie in allen großen und traditionsreichen Fasnachten so wird auch hier zur Betläutzeit das Narrenhäs abgelegt und die Fasnacht in der Gewissheit beendet, das große Vermächtnis der Ahnen erfüllt und eine sehr schöne und bewegende Fasnacht miteinander erlebt zu haben. Jeder aufrechte Grosselfinger Fasnachter fiebert ab dann wieder der nächsten Aufführung des Ehrsamen Narrengerichts zu Grosselfingen entgegen.
Das Spektakel wird in den Aufführungsjahren am Unseligen- (oder Schmotzigen-) Donnerstag und jeweils am Sonntag davor zur Aufführung gebracht.
Durch die Erhaltung dieser langen Tradition ist das Ehrsame Narrengericht zu Grosselfingen im Jahre 2015 ins Immaterielle Kulturerbe der deutschen UNESCO Kommission aufgenommen worden. Eine sehr große Ehre, aber auch eine Verpflichtung die Tradition gemäß unserer Ahnen und Urahnen weiterzuführen.
Neugierig? Hier gibt es weitere Informationen zum Fastnachtspiel. Oder komm doch einfach zur nächsten Aufführung!